30. September 2020

ERWACHSENE LEBENSGESTALTUNG

oder DAS ENDE DES PERSÖNLICHEN PSYCHODRAMAS

Einleitung

Wir leben in einer narzisstischen Gesellschaft, zu der gehört, dass Menschen von früh auf lernen, sich zu verdrehen, den Erwartungen der anderen zu entsprechen und ein „Schein-Selbst“ aufzubauen. Der narzisstische Mensch ist ein um Anerkennung ringender, stark verunsicherter Mensch. Er tut alles, um die Bestätigung, die er im Leben braucht, zu erhalten – durch Anpassung, oft bis zur Unterwerfung – durch Konsum, Besitz, Animation und Aktion.

Erwachsene Menschen, deren Persönlichkeit jedoch in unrealistischen Erwartungen an sich selbst und andere gegründet ist, sind sehr schnell von den Herausforderungen des Lebens überfordert. Diese narzisstische Haltung ist der Grund, warum Beziehungen immer wieder scheitern, die Leistungsfähigkeit der Betreffenden häufig an Grenzen stößt und kaum Durchhaltekraft bei Widrigkeiten vorhanden ist. Die passive LebensHaltung ist ein Teil der narzisstischen Problematik, bei der es ausschließlich um den Schein und nie um das Sein geht.

Menschen haben jedoch einen freien Willen, selbst dann, wenn dieser aufgrund von Erziehung und gesellschaftlichen Prägungen verschüttet ist. Das Leiden an der eigenen Passivität und dem erstickenden Druck, der aus den unrealistischen Erwartungen an sich selbst und andere entsteht, ist die beste Motivation etwas zu verändern. Wer wirklich will, kann sich aus diesem narzisstischen Dilemma unserer Zeit befreien und einen eigenen Weg finden.

Wie das geht, beschreibe ich ausführlich in dem nachfolgenden Artikel.
Viel Spaß beim Lesen

A. Aktive oder passive LebensHaltung – der entscheidende Unterschied
im Umgang mit dem Leben

Welche Haltung ein Mensch grundsätzlich zum Leben einnimmt, ist entscheidend dafür, wie der Betreffende mit den alltäglichen Aufgaben des Lebens umgeht und wie er/sie sein persönliches Leben sieht. Ich unterscheide dabei zwischen aktiver und passiver LebensHaltung. Ob der Betreffende eine aktive oder eine passive Einstellung zu seinem Leben hat, prägt sein Verhalten nach außen grundlegend.

„Die letzte der menschlichen Freiheiten besteht in der Wahl der Einstellung zu den Dingen.“ (Viktor Frankl, Neurologe und Psychiater)

B. Die passive LebensHaltung

Viele Menschen neigen dazu, ihr Leben mit einer passiven LebensHaltung zu verbringen. Diese innere Einstellung führt zu einem indirekten Verhalten, das von ständiger Anspannung und ungelösten Konflikten geprägt ist. Wenn ein Mensch diese passiv-indirekte Haltung entwickelt hat, dann ist sein Verhalten – sein Tun nach Außen – ebenfalls davon bestimmt. Alle Bereiche des Lebens sind von dieser Haltung und dem entsprechenden Verhalten durchdrungen – die Familie, der Beruf und in jede andere zwischenmenschliche Interaktion. Die Folgen sind sehr vielschichtig und immer wieder erstaunlich verwirrend für alle Seiten.

Wozu führt eine passive LebensHaltung?

Aus der Sicht der betreffenden Menschen sind es immer die anderen, die ihnen Probleme bereiten und ihr Leben belasten: die Partner, die Eltern, die Kinder, die Chefs, die Mitarbeiter, die Kollegen und/oder die Freunde. Diese werden als kompliziert, ungerecht, gemein, unsozial, aggressiv, überfordernd, illoyal, schwach usw. erlebt.

Die aus dieser Haltung entstehenden persönlichen Dramen, die ständig im Leben der passiven Menschen stattfinden und hochgradig emotional sind, fressen Zeit und Energie. Denn die Betreffenden denken immerzu darüber nach und sprechen viel darüber. Das tun sie allerdings in der Regel nicht mit denjenigen, die als Auslöser für das vorhandene Problem wahrgenommen werden. Führen sie doch einmal Gespräche mit den Konfliktpartnern, finden diese in Form von Vorwürfen, Angriffen und Streit statt. Nachvollziehbarerweise führt dies nie zu einer Lösung.

Dieses Muster wiederholt sich bei Menschen, die sich ein passiv-indirektes Verhalten angeeignet haben, immer wieder. Von außen betrachtet sieht es so aus, als ob diese Menschen lieber leiden, als aktiv nach einer Lösung für die empfundenen Belastungen zu suchen. Im Inneren sind die betreffenden Menschen in diesem Verhalten wie in einem Käfig gefangen.

Was ist los im Inneren der Betreffenden?

Eine passive Einstellung zum Leben entsteht dadurch, dass der betreffende Mensch in seiner frühen Kindheit wiederholt starke Ohnmacht und Hilflosigkeit empfunden hat und das Gefühl hatte, sich den Bedingungen der anderen fügen zu müssen. Dadurch verankert sich die Erfahrung, dass er/sie den Lebensumständen grundsätzlich ausgeliefert ist und nichts dagegen tun kann. Das Erleben und Verhalten wird im Körpergedächtnis abgespeichert. Das Grundproblem bei der passiven LebensHaltung liegt also im Inneren des Betreffenden. Es wird nur durch das Außen – durch andere Menschen – aktiviert oder „getriggert“.

Wenn diese innere Einstellung unbewusst bleibt, entsteht der sogenannte Wiederholungszwang. Die immer gleichen Erfahrungen wiederholen sich dann über Jahre hinweg. Im Erleben des betreffenden Menschen bedeutet das: Sie bestätigen sich. So entsteht ein Teufelskreis, der dafür sorgt, dass sich negative Grundüberzeugungen immer stärker festsetzen und derjenige sich in den verschiedensten Lebenssituationen als Opfer der Umstände fühlt. Für die Betreffenden ist es unmöglich, aus dem Teufelskreis auszusteigen und zu sehen, dass die wirkliche Ursache für das persönliche Leid in ihrem eigenen Inneren liegt.

Die gute Nachricht an dieser Stelle ist: Wir Menschen haben Einfluss auf uns selbst und können uns ändern. Wenn wir uns unserer inneren Einstellung bewusst werden, finden wir auch einen neuen, kreativen Weg, mit dem Außen und den Herausforderungen des Lebens umzugehen. Wie Sie diesen Weg bewältigen, zeige ich Ihnen im weiteren Verlauf des Artikels.

C. Die aktive LebensHaltung

Grundsätzlich sind Menschen von Natur aus aktiv und gestaltend – beobachten Sie einmal kleine Kinder! Leider zielt die Erziehung der Eltern und der Umwelt oft darauf ab, Kindern ihre eigene Aktivität abzugewöhnen und ihnen eine gewünschte Aktivität anzuerziehen. Dadurch wird im späteren Leben eine aktive LebensHaltung von vielen als Druck und Pflichtprogramm wahrgenommen. Nur wenige Menschen sind in der Lage, ihre aktive Haltung zum Leben aus der Kindheit bis ins Erwachsenenalter beizubehalten.

Wem das gelingt, war meistens früh sich selbst überlassen und hat wenig Erziehung und Einfluss von außen erlebt. Das zwingt zu einer frühen Selbstständigkeit. Dadurch vertrauen die Betreffenden nur sich selbst und ihrer ausgeprägten Intuition. Das hat Vor- und Nachteile.

Eine große Stärke dieser Menschen ist die eingefleischte aktive LebensHaltung. Zu den Nachteilen wiederum gehören ein tiefes Misstrauen gegenüber anderen Menschen und ein starker Wunsch nach Bedürfnislosigkeit. So werden Beziehungen oft als bedrohlich oder anstrengend erlebt. Alles alleine zu machen und nur sich selbst zu vertrauen ist dagegen bekannt und damit sicher. Die Begabung zum eigenverantwortlichen Handeln kann so zu einem Gefängnis werden und in chronische Überforderung oder Einsamkeit münden.

Was ist los im Inneren der Betreffenden?

Aufgrund ihrer frühen Lebenserfahrungen haben Menschen mit einer durchgängig aktiven LebensHaltung immer ein ausgeprägtes ICH-Bewusstsein und ein starkes Ego, ohne dabei egoistisch zu sein. Sie besitzen ein fundiertes Wissen über sich selbst, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Häufig sind diese Menschen von früher Kindheit an Einzelgänger, die lieber integer als loyal sind. Sie können sehr gut alleine sein und sind auf eine positive Weise eigenständig.

In Gruppen und Teams übernehmen die betreffenden Menschen gern Verantwortung und eine führende Rolle. Das tun sie schon allein aus dem Grund, dass sie dann bestimmen und gestalten können und einen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Sie sind sachlich-pragmatisch und meistens sehr lösungsorientiert.

Im Inneren nehmen aktive Menschen fast immer eine neutrale Position ein, wägen alle Positionen ab und sehen die zwei Seiten einer Medaille. Sie gelten als geradlinig und kompromisslos, lassen sich selten manipulieren und in „Psycho-Spielchen“ verwickeln. Für ihre Distanziertheit, oft als Arroganz oder mangelnde Kooperationsbereitschaft missverstanden, werden sie aber auch häufig angegriffen. Gleichzeitig sind sie jedoch absolut verbindlich, verlässlich und treu ergeben, wenn sie sich für etwas oder jemanden entschieden haben.

D. AUSWIRKUNGEN DER PASSIVEN LEBENSHALTUNG

Passive LebensEinstellung – fremdbestimmtes Verhalten

Solange die innere Haltung zum Leben passiv ist, erleben sich die betreffenden Menschen als fremdbestimmt. Sie machen oft die Erfahrung, dass die anderen sie in ungute Situation verwickeln, sie überreden, überrollen und dominieren. Sie erleben sich häufig als Opfer der Umstände, die unfähig sind, das Gegenüber zu stoppen oder zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.

Fakt ist jedoch, dass die scheinbaren „Opfer der Umstände“ Gründe haben, um sich genau so zu verhalten, wie sie es tun. Ohne es zu bemerken, haben sie einen indirekten Gewinn aus diesen unguten Umständen. Doch worin liegt dieser ominöse indirekte Gewinn?

1. Unbewusstes Schutz- und Rückzugsverhalten

Sehr häufig befriedigt das passive Verhalten ein unbewusstes Schutz- und
Rückzugsbedürfnis. Wenn die umgebende Welt als fordernd, kritisch und bedrohlich erlebt wird, dann ist das Nichtstun der scheinbar sicherste Weg. Ein subtiler Rückzug schützt den persönlichen Wesenskern, auch wenn er mit dem Verlust sozialer Kontakte und häufig sogar mit Erkrankungen einhergehen kann. Oft ist es erst eine drastische Erfahrung – Unfall, Krankheit, Trennung, Verlust –, die diesen Teufelskreis von außen durchbricht.

2. Die Suche nach Anerkennung und Bestätigung

Passive Menschen haben früh gelernt, dass ihre Bedürfnisse unwichtig und unbedeutend sind. Sie wurden sogar für das Zeigen ihrer Bedürfnisse ausgelacht und/oder verhöhnt. In Familien, die auf diese Weise mit ihren Kindern umgehen, gibt es oft einen ungeschriebenen Verhaltenskodex, der jede Art von Schwäche, Bedürftigkeit und Emotionalität als Versagen bewertet und negativ einordnet. Kinder lernen daraus: Bedürfnisse zu haben, wie den Wunsch nach Anerkennung und Bestätigung, ist falsch und muss unterdrückt werden.

Kinder reagieren also mit der scheinbaren Anpassung an die elterlichen/erwachsenen Vorgaben. Da Anerkennung und Bestätigung jedoch zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehören, wird der Wunsch danach nur verdrängt. Somit ist das passiv-indirekte Verhalten bereits früh etabliert.

3. Das Erhoffen einer Belohnung

Menschen, die auf passiv-indirektes Verhalten konditioniert sind, hoffen, für ihre Anpassung und ihr Leid – für ihre Passivität – belohnt zu werden. Diese Belohnung in Form von Zuwendung, Aufmerksamkeit, Zugehörigkeit und Anerkennung soll allein dadurch eintreten, dass sie „brav“ sind. Dadurch wiederholen sie ein in der Kindheit erlerntes Verhalten: Für das „Brav-Sein“ wurde ihnen von den Eltern eine bestimmte Belohnung versprochen.

Vielleicht hat dieses Verhalten in der Kindheit zu dem gewünschten Erfolg geführt. Doch im erwachsenen Leben wird die mit diesem Verhalten „erkaufte“ Belohnung mit Sicherheit ausbleiben. Anpassung und Unterwerfung unter die Vorgaben der anderen tragen selten zur Erfüllung des Bedürfnisses nach Nähe bei.

Die Folge einer ausbleibenden Belohnung ist häufig, dass sich der Mensch frustriert zurückzieht, weiter still leidet und im eigenen Persönlichkeitskern unerfüllt bleibt. So verstärkt sich die passive LebensHaltung.

4. Indirekter Umgang mit Wut – Passiv-aggressive Entladung

Viele Menschen haben ein großes Problem damit, offen und direkt frustriert, ärgerlich oder wütend zu sein. Die Basis dazu wurde schon im Elternhaus gelegt, wenn die menschliche Grundemotion Ärger/Wut tabuisiert und verboten war. Dabei gehört die Emotion Wut zur menschlichen Grundausstattung. Wut ist Handlungsenergie – wenn sie konstruktiv genutzt wird. Wir brauchen sie für unsere LebensGestaltung. Wird sie verdrängt, gelangt die Wut auf ein „Sammelkonto“, was zu Groll, Vorwürfen und „Kritiksucht“ führt, wenn sie zu lange aufgestaut wird. Zur Auflösung und zur effektiven Nutzung braucht Wut einen direkten Umgang.

Schon Sigmund Freud hat gesagt: „Wut ist Energie – sie braucht eine Form und eine Richtung und wenn der Mensch unterlässt, eine Form und eine Richtung vorzugeben, sucht sich die Wut einen indirekten Weg.“ Für ihn entstehen aus diesem Vorgang die Abwehrmechanismen von Verdrängung, Verschiebung und Sublimierung. Dazu gehören z.B. Suchtverhalten und physische Erkrankungen.

Die Verschiebung der eigenen Wut zum Gegenüber

Wenn die eigene Wut nicht akzeptiert werden kann, sind folglich die anderen schuld. Sie werden als Angreifer empfunden, während der Betreffende sich selbst als Opfer erlebt. Auf diese Weise kann er/sie die eigene Wut im Inneren ausleben, bleibt im eigenen Erleben aber frei von jeder Schuld. Wut, Frustration und Kränkung werden nur dadurch akzeptabel, dass das Gegenüber der/die Übeltäterin ist. Die Wut liegt dann bei dem anderen, während der Betreffende selbst „sauber und rein“ davon ist. Diese verdrehte Rechtfertigung ist ein sehr komplexer Vorgang.

Am Ende des Tages ist auf jeden Fall der andere verantwortlich. Die persönliche Wut kann indirekt ausagiert werden, ohne dass der Betreffende im eigenen Erleben mit dem Grundkonflikt des frühkindlichen Wut-Verbots konfrontiert ist. Das ist extrem wichtig für das innere Gleichgewicht des Menschen, der diesen Vorgang betreibt, und eine scheinbar geschickte Lösung.

Das Problem dabei ist leider, dass die verbotene Wut im eigenen Inneren bestehen bleibt und sich immer neue Angriffspunkte sucht. Auf diese Weise kehrt nie Ruhe in den Beziehungen ein. Sie bleiben konfliktbeladen und dramatisch. Es kommt ständig zu neuen Brandherden, da das Grundproblem nicht unerkannt und nie wirklich aufgelöst wird.

Erst wenn der betreffende Mensch lernt, die persönliche Frustration, Kränkung und Wut zu erkennen und zu sich zu nehmen, entsteht eine erste Entspannung. Auf dieser Basis kann ein neuer Umgang mit dem frühkindlichen Wut-Verbot und der individuellen Aggression angegangen werden.

5. Indirekte Macht- und Dominanzausübung – scheinbare DurchsetzungsStärke

Menschen, die auf die beschriebene Weise passiv-aggressiv sind, sind gleichzeitig subtil sehr machtvoll und dominant. Sie schaffen es, andere zu dirigieren, zu manipulieren und unmerklich in die von ihnen gewünschte Richtung zu lenken. Diese Wirkung entsteht besonders dann, wenn das Gegenüber sehr pragmatisch oder konfliktscheu ist. Die anderen „unterwerfen“ sich den indirekten Vorgaben, um eine Lösung zu erreichen oder Ruhe zu haben.

Dennoch ist das Resultat häufig nicht die gewünschte Zuwendung, sondern eine Distanzierung von dem indirekt-dominanten Menschen, die dieser wiederum mit Vorwürfen beantwortet. Auch hier wird also ein sich wiederholender Teufelskreis kreiert, da die vorhandene Grundemotion von Wut/Ärger unaufgelöst bleibt.

6. Das Größen-Selbst – Wonder Woman und Superman in Aktion

Viele Menschen, die im Kern passiv sind, spielen nach Außen die Rolle des Machers und übernehmen in ihren Familien oder Unternehmen große Aufgaben. Oftmals suchen sie sich dafür Partner, die noch passiver sind als sie selbst. Sie beeindrucken dann z.B. als der tolle Familienvater oder die Super-Ehefrau und Mutter. Superman und Wonder Woman sind die Retter, die sich für den/die anderen völlig verausgaben und am Ende erschöpft zusammenbrechen. Ihr Verhalten ist das eines Ko-Abhängigen, nur dass die Droge hier die Passivität und Unfähigkeit des jeweiligen Partners ist.

Im beruflichen Kontext spielen Menschen mit diesen Mustern die verständnisvollen Vorgesetzten und hilfreichen Mitarbeiter, die mit ihrem Superman-/Wonder-Woman-Verhalten gravierende Fehler im System ausgleichen. Auch hier ist die innere Haltung des Größen-Selbst eine VermeidungsHaltung. Sie verdeckt die persönlichen Probleme und die eigenen Defizite. Und sie verdeckt auch die Mängel der anderen, die zu diesem System gehören, da Superman und Wonder Woman diese ausgleichen. Letztlich ist dieses Verhalten aber auch im beruflichen Kontext völlig ineffizient. Es dient weder dem Unternehmen noch dem betreffenden Menschen noch seinem Umfeld.

Wie sieht eine effektive Lösung dieser passiv-indirekten Dynamik aus?

Eine effektive Auflösung dieser unbewussten Dynamik von Passivität, Rückzug und indirektem Verhalten vollzieht sich in mehreren Schritten.

Schritt 1
Eine „Isso-Haltung“ entwickeln

Der erste Schritt ist auch der wichtigste: Der betreffende Mensch muss sich seine innere Grundeinstellung der Passivität, Anpassung, Indirektheit und Angst bewusst machen, sie zulassen und liebevoll annehmen. So kann eine „Isso-Haltung“ entstehen: „So bin ich…“ – ohne negative Bewertung und Verurteilung, ohne Schuldzuweisung und Dramatisierung.

Die neue Haltung zu sich selbst, muss intensiv geübt werden. Erst wenn sie im zellulären Erleben des Betreffenden verankert ist, kann die weitergehende Veränderung beginnen.

Schritt 2
Die liebevolle Selbstbefragung

Im nächsten Schritt gilt es, sich selbst Fragen zu stellen und wertfrei zuzuhören. Das ist in etwa so, als ob die Haltung eines inneren Zeugen eingenommen wird. Der innere Zeuge bekommt Fragen gestellt und beantwortet sie nach bestem Wissen und Gewissen, ohne dass die auftauchenden Antworten gefiltert, bewertet oder zensiert werden.

Fragen können sein:
„Wieso bin ich so, wie ich bin?“
„Was habe ich davon, so zu sein, wie ich bin?“
„Was verspreche ich mir davon, mich so zu verhalten?“

Antworten können sein:
„So bin ich also:…“
„Das ist mein Gewinn daraus, dass ich bin, wie ich bin:…“
„Der Preis, den ich für mein Verhalten zahle, ist…“

Auch dieser zweite Schritt stellt eine Herausforderung dar und muss ebenfalls gelernt und geübt werden.

Schritt 3
In Resonanz-Gehen mit sich selbst

Im dritten Schritt geht es darum, sich selbst liebevoll anzunehmen – mit all diesen Erkenntnissen und Informationen, die teils als sehr konfrontierend erlebt werden. Dieser Schritt ist oft der schwerste, weil er bedeutet, die erlernte Drama-Haltung hinter sich zu lassen und sich neutral der individuellen Realität zu stellen.

Durch diese liebevolle Resonanz mit sich selbst kommt es häufig zu einer spontan einsetzenden Erkenntnis/Erfahrung, die zu einer tiefgreifenden HaltungsÄnderung und zu einem wirklichen Verändern des Verhaltens führt. Damit ist der bestehende negative Kreislauf zum ersten Mal bewusst durchbrochen.

Weitere Schritte zur Auflösung der passiven LebensHaltung finden Sie im Abschnitt
„Aktive LebensHaltung ist lernbar“ am Ende des Artikels.

E. Auswirkungen der aktiven LebensHaltung

„Wer will, findet Wege, und wer nicht will, findet Gründe.“ (Dalai Lama)

Aktive LebensEinstellung – Selbstbestimmtes Leben

Der große Vorteil einer aktiven LebensHaltung ist die Erfahrung eines selbstbestimmten Lebens – sowohl in der inneren Haltung als auch im Verhalten nach außen. Doch was genau meinen die Begriffe Selbst-Bestimmung und Selbst-Bestimmtheit?

Selbst-Bestimmung bedeutet, eine Wahl zu haben und Entscheidungen fundiert aus seiner eigenen Überzeugung heraus zu treffen. Sie gibt Menschen die Möglichkeit, das eigene Leben entsprechend der inneren Grundlagen zu gestalten. Die Menschen bestimmen über sich selbst.

Selbst-Bestimmtheit wird auf psychischer, gesellschaftlicher und geistiger Ebene erlebt. Wenn sie vorhanden ist, wirkt sie sich auf alle Lebensbereiche aus – Beruf, Privatleben und gesellschaftliche Position. Alle wesentlichen Entscheidungen werden auf und aus dieser Basis getroffen. Selbst-Bestimmtheit führt den Menschen zu Erfüllung und Sinnhaftigkeit.

Bereitschaft zum Verzicht

Zur aktiven LebensHaltung gehört die Bereitschaft, sich eigenverantwortlich um seine persönlichen Anliegen zu kümmern: Entscheidungen zu treffen, Prioritäten zu setzen, manchmal auch Abstriche zu machen, wenn Ideen/Pläne unrealistisch sind. So kann ein Mensch sich dafür entscheiden, den Schwerpunkt auf sein Privatleben zu setzen und auf eine berufliche Karriere zu verzichten oder umgekehrt, eine große Karriere zu machen und das Privatleben hintenan zu stellen.

Letztlich treffen Menschen immer eine Wahl und zahlen einen Preis für die getroffene Entscheidung. Für Selbst-Bestimmtheit ist Mut zur Wahrhaftigkeit wichtig. Dies ist ein Charakterzug, der eine gesunde aktive LebensEinstellung ermöglicht.

Bereitschaft zur Anstrengung

Menschen mit einer aktiven LebensHaltung sind bereit, sich für ihre Bedürfnisse, Wünsche und Pläne bedingungslos einzusetzen. Sie sind bereit zu lernen, zu üben und kontinuierlich daran zu arbeiten, um dem gewünschten Ziel näher zu kommen. Sie stehen zu den getroffenen Entscheidungen, wenn diese mit dem für sie Wesentlichen übereinstimmen.

Sie sind aber auch bereit, Entscheidungen wieder zu verwerfen, wenn sie sich als unwesentlich erweisen. Diese Entschiedenheit wurzelt in einer sinnlichen Motivation, da die Aktivität gut tut. Es macht Spaß, aktiv zu sein, Ideen umzusetzen und das eigene Leben zu gestalten.

F. Aktive LebensHaltung ist lernbar

„Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“ (Samuel Beckett)

Wer aufgrund von Erziehung seine aktive LebensHaltung verloren hat, diesen Mangel wahrnimmt und als Leidensdruck empfindet, kann lernen, das innere Leid zu verlassen. Das geht mit einer entschiedenen Arbeit an sich selbst und gezielter Unterstützung. Beides in einer guten Kombination ermöglicht es, die aktive LebensHaltung wieder zu erlernen. Eine schonungslose Ehrlichkeit mit sich selbst und der umgebenden Welt ist die Grundlage für diesen Weg.

Der Weg von Passiv zu Aktiv

Folgende 9 Schritte zeigen den Weg von Passiv zu Aktiv. Wesentlich sind dabei echte Lernbereitschaft und Durchhaltevermögen.

Schritt 1
Eine fundierte Entscheidung zur Veränderung treffen

Wenn eine fundierte Entscheidung zur Veränderung getroffen ist, gilt es, dabei zu bleiben – auch dann, wenn es zwischendurch anstrengend und unangenehm wird. Widrigkeiten gehören zum aktiven Lebensweg.

Schritt 2
Bereitschaft zum Lernen und zum Üben entwickeln

Das beinhaltet auch, sich den persönlichen Defiziten zu stellen. Die Konfrontation mit sich selbst ist oft sehr unangenehm fürs eigene Selbstbild. Da heißt es: dranbleiben.

Schritt 3
Verantwortung für sich selbst übernehmen

In diesem Schritt geht es darum, seine Wünsche, Bedürfnisse und Ziele zu erkennen, ernst zu nehmen und sich dafür einzusetzen. Eine gute Metapher für diesen Schritt ist die Sauerstoffmaske im Flugzeug. In einem Notfall legt der Betreffende sie zuerst sich selbst an. Dann erst ist er in der Lage, andere effektiv zu unterstützen.

Schritt 4
Konsequenzen der persönlichen Entscheidungen und Handlungen tragen

Fundierte Entscheidungen führen zu neuen Prioritäten und Handlungen. Das Umfeld reagiert darauf unter Umständen erst einmal negativ. Gerade nahestehende Menschen gehen zunächst in eine Abwehrhaltung. Wenn sie jedoch erkennen, dass ihr Gegenüber es ernst meint, gleichzeitig liebevoll und wohlwollend mit ihnen ist und sie in den Veränderungsprozess integriert, entschärft sich die Abwehrhaltung. Dann kann sich eine natürliche Neugier durchsetzen.

Schritt 5
Alleinsein aushalten lernen

Das indirekt-verstrickte Verhalten löst sich mit jedem Schritt mehr und mehr auf. Parallel kann das Erleben von Alleinsein und Anderssein auftauchen – was unangenehm oder ängstigend werden kann. Zum konstruktiven Umgang damit gehört es zu lernen, wie die auftauchenden Grundemotionen Wut, Angst, Trauer, Hilflosigkeit und auch Freude angenommen und integriert werden. Sie gehören zu unserer menschlichen Ausstattung und damit auch zu einer aktiven LebensHaltung dazu.

Schritt 6
Ertragen, sich unbeliebt zu machen

In dem Moment, wo Menschen einen aktiven Lebensweg gehen, Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und gezielt handeln, werden Konflikte mit der Umwelt entstehen. Hier ist es wichtig, den Mut zu entwickeln, sich auch einmal unbeliebt zu machen, Konflikte zu wagen und das Risiko des Ausschlusses aus der Gemeinschaft einzugehen. Wenn die Veränderungen konstruktiv und längerfristig angegangen werden, wird auf jeden Fall etwas Besseres entstehen.

Schritt 7
Auftauchende Emotionen durchleben

Die fünf Grundemotionen Angst, Wut, Trauer, Hilflosigkeit und Freude werden in diesem Prozess sehr stark angesprochen. Für viele Menschen ist es eine Herausforderung, sie bewusst zu erleben. Denn Emotionen gelten als gefährlich, uncool, unsinnig usw. Aber zu Unrecht: Emotionen sind die besten Freunde und Helfer des Menschen – wenn sie angenommen und konstruktiv genutzt werden. Dafür sollte sich der Betreffende nicht scheuen, sich in die Emotion hineinzuwerfen, durch sie hindurchzugehen und sie zu erleben.

Es dauert nicht lange: Nach zwei bis drei Minuten stellt sich eine große Ruhe ein. Nachdem die Welle durch ist, entstehen wie von selbst Erleichterung und ein innerer Friede. Zwar wird die nächste Welle kommen, aber die gute Nachricht ist: Die Abstände zwischen den Wellen werden größer. Die emotionale Belastung löst sich zunehmend auf.

Schritt 8
Wahrhaftigkeit ertragen

„Alle wollen Ehrlichkeit, aber keiner erträgt die Wahrheit…“, heißt es. Und tatsächlich ist die Wahrheit über sich selbst und andere manchmal schwer zu ertragen. Aber der Weg zur aktiven LebensHaltung erfordert eine schonungslose Ehrlichkeit im Inneren und mit dem Außen – jedoch ohne bewertend und verurteilend zu sein. „Es ist, was es ist, sagt die Liebe“, heißt es in einem Gedicht von Erich Fried. Um diese innere Haltung geht es. Das ist die Basis, auf der eine tiefgehende Veränderung stattfinden kann.

Schritt 9
Realitätsfähigkeit erlernen

Die Basis für einen Veränderungsprozess ist immer, realitätsfähig zu sein. Nur wenn Menschen individuelle Realität erkennen, annehmen und liebevoll umarmen, sind sie in der Lage, ein aktives, selbstbestimmtes Leben zu leben. Wenn sie sich selbst sehen, wie sie tatsächlich sind, können sie auch mit Andersartigkeit, Alleinsein und Getrenntsein ihren Frieden machen. Dann kann sich Selbst-Bestimmtheit festigen.

Resümee

Das, was einen aktiven Menschen von einem passiven Menschen ganz grundsätzlich unterscheidet, ist die Bereitschaft, sich in das Leben hinein zu werfen.
Aktive Menschen sind risikobereit sowie handlungs- und lösungsorientiert.
Sie probieren etwas aus, sie machen statt zu hadern oder zu leiden.
Sie lernen Neues und üben das neu Gelernte. Sie packen Defizite an und beheben diese. Dabei scheitern sie durchaus immer wieder, sie fallen auch oft auf die Nase und stehen wieder auf. Macht nichts – gehört dazu!
Fehler machen ist für sie ein notwendiger Teil des Lernens. Ihre Haltung ist eher: „Dann hat eben an dieser Stelle etwas gefehlt und das kann jederzeit aufgebessert werden.“

Sie leben mehr nach dem bereits zitierten Motto von Samuel Beckett:

„Immer versucht. Immer gescheitert. Macht nichts!
Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser Scheitern.“

Auch im emotionalen Bereich werfen sich aktive Menschen mehr in ihre Gefühle hinein.
Dieses Hinein-Werfen in die jeweilige Emotion, wie in eine aufbrausende Welle, kann durchaus wehtun und äußerst schmerzhaft sein. Das wird jedoch in Kauf genommen, da intensives Fühlen zum Leben dazu gehört und letztlich lebendig macht.

Menschen mit aktiver LebensHaltung wissen darum und nehmen die Schmerzen, die Unsicherheit, die Hilflosigkeit sowie den häufig erlebten Kontrollverlust immer wieder in Kauf. Ihr Motto ist: Hauptsache lebendig leben und authentisch sein!

Dazu kann ich Sie alle nur ermutigen.
Vertrauen Sie mir bitte – Sie können nur davon profitieren.
Eine lebendige LebensGestaltung tut einfach gut und macht Ihr Leben letztlich leicht.
Und das wünschen wir uns doch alle!

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